Aller Anfang ist schwer

Wie man drei Stunden nach Landung eine ganze Reise in Frage stellen kann. Und weshalb man das Ganze nicht zu ernst nehmen sollte.

Trotz monatelanger Planung waren die Tage vor unserem Abflug stressig. Ein großes Projekt musste abgeschlossen, die Wohnung übergeben und Freunde und Familie verabschiedet werden. Und auch die zwei Tage in Berlin, die eigentlich als Einstimmung auf die Reise gedacht waren, haben wir mit nervigen last minute Einkäufen verbracht. So geht das vermutlich den meisten Reisenden. Egal, wie gut die Planung war, irgendwas hat man ja immer vergessen und manche Dinge kann man eben nicht kontrollieren.

Nach einem fast schlaflosen Flug und einer viel zu lange Warteschlange vor der Immigration kommen wir erschöpft in Bangkok an. Mit dem Taxi fahren wir zur Wohnung, in der uns Alex, ein deutscher Auswanderer, schon erwartet. Während der Fahrt mit dem Aufzug in den 30. Stock schärft er uns ein, dem Portier nicht zu sagen, dass er die Wohnung vermietet. Wir sind nur Freunde! Scheinbar haben sich die Hausregeln geändert und Gäste sind nicht mehr erwünscht.

Die Wohnung, die uns erwartet ist ganz anders als erwartet. Dreckig, abgewohnt und die 200 Euro Miete definitiv nicht wert. Überall liegen Haare, die Betten sind nicht bezogen, das Bad ist schmutzig. Enttäuscht stellen wir unsere Rucksäcke ab und suchen in der Umgebung nach einem Frühstück.

Nicht ganz erlaubte Aussicht vom Dach unserer Wohnung auf Bangkok
Nicht ganz erlaubte Aussicht vom Dach unserer Wohnung auf Bangkok

In einem kleinen Café in einer Tiefgarage essen wir schließlich eine Reissuppe und hinterfragen unser Abenteuer, keine drei Stunden nach Ankunft. Wieso tun wir uns das nochmal an? Und wie soll es jetzt eigentlich weiter gehen? Wo wollen wir wohnen, was wollen wir sehen, wie viel und woran wollen wir arbeiten und wie viel Freizeit können wir uns leisten? Wohin wollen wir nach den sieben Tagen in Bangkok? Wie lange reichen unsere Ersparnisse? So viele Entscheidungen! Und das obwohl ich doch an einigen Tagen schon überfordert bin, eine Wahl zwischen Döner und Pizza zu treffen.

Mit vollem Magen schieben wir die Sorgen erst einmal beiseite und machen uns auf den Rückweg. Zwischenzeitlich wurde der Boden gefegt, die Betten sind bezogen und ein Kanister Trinkwasser steht neben der Tür. Wir fallen auf’s Bett, lassen uns die Klimaanlage auf die nackten Bäuche pusten und holen den Schlaf der letzten Tage nach.

Sonnenuntergang in Bangkok
Sonnenuntergang in Bangkok

Nach dem Aufwachen sieht die Welt schon besser aus. Man sollte sich nach langen Flügen einfach keine tiefergehenden Gedanken machen. Wir genießen den weiten Blick über Bangkok aus dem 30. Stock. Die Sonne geht hier früh und schnell unter und färbt die Beton-Landschaft tief orange. Ja, unser Leben wird jetzt anders: Wir haben uns bewusst gegen den Komfort und die Sicherheit eines festen Jobs entschieden, um flexibler und unabhängiger leben zu können. Obwohl ich das natürlich die ganze Zeit wusste, wird es mir erst jetzt wirklich bewusst. Wir allein entscheiden, wie es weiter geht. Und wenn es schiefgeht, fliegen wir zurück nach Hause und suchen uns wieder „vernünftige“ Jobs.

Share:
Lena

Lena

Lena (28) ist studierte Soziologin und hat zuletzt als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Mannheim gearbeitet. Seit September 2015 ist sie als digitale Nomadin auf Weltreise. Mehr erfährst du hier.